medizinische Betreuung rund um Geschlechtsangleichungen
Für eine erfolgreiche Geschlechtsangleichung ist die Sicherstellung einer optimalen Nachsorge unabdingbar. Aus medizinischer Sicht sollte bei allen Personen, die geschlechtsangleichende Maßnahmen nutzen, eine regelmäßige Bestimmung des Hormonspiegels, eine Knochendichtemessung alle 3 Jahre sowie eine jährliche allgemein-körperliche Untersuchung sowie eine Blutuntersuchung erfolgen. Bei trans* männlichen Personen sollte ebenfalls eine regelmäßige Brustkrebsvorsorge (axilläres Restgewebe nach Mastektomie), gynäkologische Untersuchung des Vaginalstumpfs sowie eine Kontrolle der Testosteron-Injektionsstellen durchgeführt werden.
Früherkennungsuntersuchungen werden häufig nicht oder nur unregelmäßig wahrgenommen, obwohl sie wichtig und auch lebensrettend sein können. Die Gründe dafür sind nachvollziehbar, da die Hemmschwelle, sich als trans* weibliche Person einer urologischen bzw. als trans* männliche Person einer gynäkologischen Untersuchung zu unterziehen, oft sehr hoch ist. In Beratungen wird berichtet, dass insbesondere trans* männliche Personen erheblichen Schwierigkeiten haben, in gynäkologischen Praxen als Patienten angenommen zu werden. Bei Gynformation und Queermed Deutschland findest du Empfehlungen und Hinweise von anderen Nutzer*innen medizinischer Angebote und kannst zum Beispiel direkt nach trans*freundlichen Praxen suchen.
Gynäkologische, andrologische und urologische (Vorsorge-)Untersuchungen
Die Gynäkologie ist ein Fachbereich der Medizin und beschäftigt sich mit der Entstehung, Erkennung, Behandlung und Verhütung der Erkrankungen vor allem des weiblichen Sexual- und Fortpflanzungstraktes.
Die Andrologie ist ein Fachbereich der Medizin und beschäftigt sich mit spezifischen Problemen des männlichen Geschlechts.
Die Urologie ist ein Fachbereich der Medizin und beschäftigt sich mit den harnbildenden und harnableitenden Organen wie Nieren, Harnblase, Harnleiter und Harnröhre.
Da es nur wenige Androlog*innen gibt, ist auch der*die Urolog*in für den Penis, die Hoden, die Nebenhoden, den Samenleiter sowie für die Prostata zuständig.
Unabhängig von deiner Geschlechtsidentität ist es wichtig, dass du regelmäßig Vorsorgeuntersuchung auch an diesen Organen vornehmen lässt.
Für Personen mit einer Vagina (egal ob Neo- oder nicht) wird einmal jährlich eine gynäkologische Untersuchung empfohlen, um mögliche STI und andere Infektionen sowie Krebserkrankungen frühzeitig zu erkennen.
Trans* Personen, die einen Gebärmutterhals haben oder diejenigen, die eine Hysterektomie ohne Gebärmutterhalsentfernung durchgeführt haben, sollten regelmäßig den sogenannten Pap-Test (Papanicolaou-Test) machen lassen. Obwohl es für dich unangenehm oder sogar belastend sein kann, kannst du jedoch durch regelmäßige Untersuchungen die Entstehung von Krebs verhindern. Hierfür wird ein Zellabstrich vom Gebärmutterhals genommen und mikroskopisch untersucht, der für die Krebsfrüherkennung wichtig ist. Ziel dieses Abstriches ist, Zellveränderungen am Gebärmutterhals aufzuspüren. Damit steigt die Chance, Vorstufen des Gebärmutterhalskrebses frühzeitig zu erkennen und behandeln zu können. Ab dem 35. Lebensjahr übernehmen die Kassen alle drei Jahre den Kombi-Test (HPV– und Pap-Test).
Auch nach einer vollständigen Hysterektomie werden regelmäßige gynäkologische Untersuchungen (ohne Pap-Test) empfohlen. Für trans* Personen, die Testosteron einnehmen und eine Gebärmutter und/oder Eierstöcke haben, ist es ratsam, diese gynäkologisch untersuchen zu lassen, da Hormone manchmal die Entstehung von Zysten auf den Eierstöcken begünstigen können. Außerdem kann Testosteron manchmal zu einer Verkleinerung der Eierstöcke beitragen, die wiederum die Fortpflanzungsfähigkeit einschränken kann.
Der Pap-Test ist bei Personen mit einer Neo-Vagina nicht notwendig. Ein Abstrich der Neo-Vagina ist erst bei Ausfluss, Blutung oder Schmerzen erforderlich. Andererseits sollte bei der üblichen Kontrolle der Neo-Vagina auch eine Untersuchung der Prostata erfolgen, da diese nach einer geschlechtsangleichenden Operation erhalten bleibt.
Grundsätzlich werden bei trans* Personen ab dem 50. Lebensjahr, die sich unter einer Hormonersatztherapie befinden, jährliche PSA-Kontrollen empfohlen. Wenn eine Prostata vorhanden ist, sollte sie ebenfalls jährlich kontrolliert werden.
Für Personen, die (noch) Brüste haben oder nach einer Hormonbehandlung Brüste entwickelt haben, wird empfohlen, die Brüste/den Oberkörper durch regelmäßiges Abtasten untersuchen zu lassen, um so die Anzeichen eines Knotens/Tumors frühzeitig zu erkennen. Ab dem 30. Lebensjahr sollte eine fachärztliche Untersuchung der Brust und Achsellymphknoten per Tastuntersuchung einmal jährlich stattfinden, um Brustkrebs auszuschließen. Die Brustüberwachung durch eine Mammographie kann nach den gleichen Richtlinien/Empfehlungen wie bei cis weiblichen Personen durchgeführt werden, denn sie haben ab dem 50. Lebensjahr alle zwei Jahre Anspruch auf eine Mammographie als Maßnahme der Krebsfrüherkennung. Für dieses Screening werden cis weibliche Personen regelmäßig angeschrieben. Solltest du eine Namens- und Personenstandsänderung vorgenommen haben, kann es sein, dass du möglicherweise kein Einladungsschreiben bekommen hast. Sprich mit einer* einem Ärzt*in darüber und lass dich in den Verteiler aufnehmen.
Eine kleine Exkursion für trans* männliche Personen: Es wird viel darüber diskutiert, wie Brüste versteckt werden können. Das Abbinden mit unterschiedlichen Materialien ist eine Technik unter vielen, wobei bei einigen zur Vorsicht geraten ist. Verwende bitte keine Frischhaltefolie, da die Haut unter der Folie nicht atmen kann. Bei längerem Tragen kann es zu Hautreizungen kommen, die sich zu langwierigen Hautproblemen auswachsen können. Auch das Abkleben mit Gewebeklebeband (auch Stagetape, Gaffertape genannt) sollte unterlassen werden, da der Kleber sehr stark die Haut angreifen und es sogar zu offenen Wunden führen kann. Einfach und günstig ist das Abbinden mit elastischen Binden, die es in unterschiedlichen Größen zu kaufen gibt. Auf www.transmann.de findest du Hinweise, wie du Miederunterhöschen oder Stützstrumpfhosen zu einem Binder umfunktionieren kannst. Aber egal für welche Möglichkeit du dich entscheidest, wichtig ist, dass du nicht zu stark abbindest, um nicht aufgrund von Atemnot in Ohnmacht zu fallen oder durchs Abbinden dein Brustgewebe so stark geschädigt werden kann, dass dadurch wiederum Probleme bei der Mastektomie entstehen können. Muskelschmerzen im Nacken, in den Schultern und Armen können vermieden werden, wenn du deinem Körper genügend Auszeiten vom Abbinden (wenn du z.B. alleine in deiner Wohnung bist, während du schläfst etc.) gönnst.
Für trans* weibliche Personen wird das Risiko von Prostatakrebs durch die Einnahme von Östrogen zwar reduziert, aber nicht gänzlich beseitigt. Für Personen, die bei der Geburt dem männlichen Geschlecht zugewiesen wurden und zu einer Risikogruppe gehören (z.B., wenn Prostatakrebs in der Familie vorgekommen ist), wird eine regelmäßige Untersuchung empfohlen. Ab 45. Lebensjahr sollten Personen mit einer Prostata regelmäßig die Vorsorgeuntersuchung zur Früherkennung von Prostatakrebs wahrnehmen. Besteht eine familiäre Vorbelastung für Prostatakrebs, können bereits männliche Personen ab dem 40. Lebensjahr das Früherkennungsprogramm in Anspruch nehmen. Ein weiteres Verfahren zur Früherkennung von Prostatakrebs ist der oben schon genannte PSA-Test.
Für trans* Personen, die Hoden haben, wird eine Selbstuntersuchung der Hoden durch Abtasten empfohlen, um deren Größe zu kontrollieren und mögliche Beschwerden/Veränderungen festzustellen. Falls Schmerzen auftreten, sollte unbedingt ein*e Ärzt*in aufgesucht werden.
Auch eine regelmäßige Vorsorgeuntersuchung des Neo-Penises oder von Implantaten (Hoden, Erektionsprothese) wird vorsichtshalber empfohlen.
Eine Darmkrebsvorsorge sollte ab dem 50. Lebensjahr erfolgen. Ab diesem Alter wird sie auch von der Krankenkasse übernommen. Zwischen den 50. – 54. Lebensjahr sollte einmal jährlich ein Test, der nach verstecktem (okkultem) Blut im Stuhl sucht, gemacht werden. Ab dem 55. Lebensjahr wird der Stuhltest alle zwei Jahre bezahlt. Da mit zunehmendem Alter die Wahrscheinlichkeit zu erkranken steigt, wird männlichen Personen ab 50 und weiblichen Personen ab 55 Jahren empfohlen, eine Darmspiegelung (Koloskopie) vornehmen zu lassen. Eine Darmspiegelung ist um ein Vielfaches zuverlässiger als der Stuhltest und Polypen sowie Krebsvorstufen können während dieser Untersuchung auch schon sofort entfernt werden. Bei unauffälligem Befund muss diese Untersuchung erst nach 10 Jahren wiederholt werden.
